Von der Idee zum Projekt

Deutsche Bäckerei als Entwicklungsprojekt in Indien

"Mitraniketan" ist ein gemeinnütziges Entwicklungsprojekt im Süden Indiens, das den Lehren Mahatma Gandhis folgt und vor allem dafür eintritt, dass alle gesellschaftlichen Gruppen friedlich zusammen leben. Im Jahr 2006 beging es sein Goldenes Jubiläum, d.h. es leistet nun schon seit über 50 Jahren unter dem Leitgedanken "Hilfe zur Selbsthilfe" wertvolle Arbeit für die Ärmsten der Armen.

Sri K. Viswanathan und seine Frau Sethu gründeten auf ererbtem Land 1956 "Mitraniketan" – "Stätte der Freunde". Begonnen wurde als kleine Schule mit 20 Schülern aus einem verarmten Dschungelgebiet im Norden des Bundesstaates Kerala. Dort wurden die dort lebenden Stämme außerhalb der Hindu- und Muslimgesellschaft immer weiter in die völlige Armut getrieben. Nach dem Gedanken Mahatma Gandhis, dass eine Gesellschaft nur dann verbessert werden kann, wenn wir mit den Kindern beginnen, holten Viswanathan und seine Mitkämpfer immer mehr Kinder nach Mitraniketan, um ihnen dort schulische und berufliche Ausbildung zu geben.

 

Inzwischen sind ständig etwa 280 - 300 Schulkinder hier, dazu kommen 30-40 Kindergartenkinder, 40 Schüler/innen in der "National Open School" (für Straßenkinder) und 80 junge Erwachsene, die eine einjährige Vollzeitausbildung erhalten. Eine Vielzahl beruflicher Ausbildungsstätten sind in den vergangenen 50 Jahren entstanden, z.B. Spinnerei, Weberei, Schneiderei, Holzhandwerk, Bauhandwerk, Elektrikerhandwerk, Töpferei, Metallverarbeitung, Druckerei, etc., darunter auch die zwischenzeitlich völlig unbrauchbare Bäckerei.

Neben der schulischen Ausbildung werden verschiedene Ausbildungsgänge für Erwachsene durchgeführt, vor allem für Frauen und junge Erwachsene, um sie wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen.

Das Ziel Mitraniketans ist es, junge Menschen durch die Ausbildung in die Lage zu versetzen, dass sie sich entweder in ihren Heimatorten in Würde selbstständig betätigen können, wobei sie dort gleichzeitig auch die Lebensbedingungen verbessern helfen oder dass sie anderswo einen Arbeitsplatz finden können. 

 

Der Neuaufbau einer Bäckerei dient diesem Ziel. Eine Bäckerei wäre gleichzeitig ideale Ausbildungsstätte und würde einen wesentlichen Beitrag für die Ernährung der Kinder und Mitarbeiter leisten. Die Bäckereiprodukte würden durch Verkauf ein zusätzliches Einkommen erzielen, mit dem die Schule und die Versorgung der Kinder und Jugendlichen finanziell unterstützt werden könnten. Da „Mitraniketan“ keine ständigen Geldgeber hat, weil es sich von keinen externen Einflüssen – politisch oder konfessionell – abhängig machen will, ist der materielle Überlebenskampf eine täglich zu bewältigende Aufgabe.

 

Mit Schülern des Heisenberggymnasiums Karlsruhe, welches seit mehr als 15 Jahren eine Partnerschaft zu diesem Entwicklungsprojekt pflegt, reiste Dr. Hans Waldmann im Jahr 2004 nach „Mitraniketan“. Er war von den Eindrücken so sehr begeistert, dass er 2005 gleich noch mal das Projekt besuchte. Dabei reifte die Idee, die „Bäckerei“ zu verwirklichen. Er ergriff die Initiative und ist seither Motor des Projekts. Tatkräftig unterstützt wird er dabei von Heidi und Martin Störk aus Ettlingen-Spessart, die Mitraniketan ebenfalls schon kennen lernten.

 

Als Herr Richard Nußbaumer von der Idee erfuhr, stellte er den Kontakt zu Frau Evelyn Richter her (Fa. Rudolf Richter GmbH, Heimsheim), einer Expertin für Bäckereiausrüstungen. Die Idee wurde geboren, eine Bäckerei komplett in einem Container hier in Deutschland einzurichten, um ihn dann gebrauchsfertig nach Indien zu verschiffen.

 

Ein gebrauchter Container wurde gekauft und auf dem Freigelände der Bäckerei Nußbaumer in Reichenbach aufgestellt. Erst einmal musste der Container in mühevoller Arbeit außen und innen mit „Antirostfarbe“ gestrichen werden. Vielen Dank an dieser Stelle für die fleißigen Handwerker! Die teure Spezialfarbe wurde von der Firma „Jörke & Weber, Spessart" gesponsert. Inzwischen sah der Container schon von weitem recht einladend aus.

Innen weiß und außen ein freundliches Gelb - da der Container später in Südindien im Landesinnern stand, passte diese Farbe zum satten Dschungelgrün. Nach dem Streichen war der Elektriker mit dem Verlegen der Leitungen und Steckdosen am Werk. Da die Containerhaut nicht verletzt werden durfte, musste alles auf einem angeschweißten Gestell innen befestigt werden.

 

Nach Erledigung der Innenarbeiten wurde die Bäckerei-Ausrüstung eingebaut: eine Kühlzelle, ein Backofen mit Gärschrank und ein Teigkneter, sowie Arbeitstische. Da das Ziel der Bäckerausbildung im Vordergrund stand, sollten anhand einer vernünftigen Mindestausrüstung die wichtigsten Kenntnisse vermittelt werden können. Sobald alle Maschinen installiert waren, fand eine Backprobe in Verbindung mit einem kleinen Fest zur Einweihung des Containers statt, bevor er auf hohe See ging. 

 

Ob die Inder dann auch lernten, badische Brezeln zu backen?